Bikepacking im Oman: von Nizwa Richtung Sur ans arabische Meer
Die Wüste ruft und sie ruft laut! Und dann war da noch die Sache mit der defekten Schlafmatte…. Die Geschichte meiner Bikepacking Tour durch den Oman geht weiter und sie ist geprägt von Trockenheit, Staub und einem dringend nötigen Bad.
Nach den ersten drei Tagen im Sattel schon ein Ruhetag… etwas früh aber in dem Fall wars nötig. Ich war müde von zwei schlechten Nächten auf meiner löchrigen Campingmatte und Intervallschlafen (Teil 1 der Geschichte gibt es hier). Ich musste schnell eine Lösung für die kaputte Matte habe. Schlafentzug gilt schliesslich und nicht zu Unrecht als Folter! Im Hotel in Nizwa habe ich mir nach einem ausgiebigen Frühstück einen grossen Plastikbottich geschnappt und die Matte Stück für Stück darin im Wasser gebadet. Zuerst auf der Seite in der ich das Loch vermutet hatte (nichts… keine Spuren) und dann auf der anderen. Erst ganz am Ende quasi auf den letzten Zentimetern habe ich es blubbern gehört und Luftblasen gesehen. Heureka! Zum Glück habe ich immer Reparaturkleber dabei und die Matte war danach schnell geflickt und dicht! Die Aussicht auf guten Schlaf hat der Laune gut getan und erleichtert und mit neuem Elan habe ich mich noch auf die Suche nach einer Unterlage gemacht. Ich wollte etwas, um meiner Matte in Zukunft etwas Abstand zu potenziellen Dornen zu verschaffen. Am Ende wurde es mangels transportierbarer Alternativen eine billige Picnic-Decke, aber sie hat ihren Zweck auf der weiteren Reise erfüllt: Wahlweise unter der Matte im Zelt, als Decke für die Siesta im Schatten von Sträuchern oder als Unterlage am Abend vor dem Zelt, um in die Sterne zu staunen.
Nizwa habe ich dann natürlich noch mit der Kamera erkundet und was ich sah gefiel mir sehr gut. Ich habe Menschen gefragt, ob ich sie portraitieren darf und habe mich von der Neugier getrieben, einfach meinem Gefühl folgend durch die engen Gassen treiben lassen. Es war wunderbar entspannt und der Ruhetag hat mir neue Energie gegen.
Am nächsten Tag breche ich entspannt und gut gelaunt wieder früh auf. Ich will am Morgen möglichst weit kommen, bevor es zu heiss wird. Die Fahrt aus Nizwa heraus ist entspannt und ich finde schnell meinen Rhythmus. Die nächsten paar Tage sind geprägt von teilweise langen Etappen mit einigen eintönigen Strecken. Diese lassen dafür viel Raum, um die Gedanken schweifen zu lassen. Abends finde ich wiederum grossartige Campingspots. Dazu später mehr.
Unterwegs werde ich immer mal wieder freundlich angehalten. Die einen wollen einfach das Fahrrad und Gepäck sehen und ein Selfie mit mir machen. Wiederum andere haben mich vorbeifahren sehen und folgten mir spontan mit dem Auto, um mir zu sagen, dass es nach dem nächsten Dorf nicht mehr weitergeht. Die Strasse sei danach ungeteert und für mich mit dem Velo unpassierbar. Ich sei auf geradem Weg in eine Sackgasse, aus der ich dann zurückmüsse. Ich freue mich über das Wohlwollen und die Hilfe und versuche zu erklären, dass ich aber tiptop auf solchen Pisten fahren kann. Man nimmt es mir aber nicht so ganz ab aber mangels Sprachkenntnisse belassen wir es dabei und ziehen je unserer Wege.
Am Morgen werde ich meistens um ca. fünf Uhr das erste Mal wach. Dann wenn der Muezzin zum Frühgebet ruft. Moscheen hat es fast überall und auch noch im entlegensten Wadi und weit draussen auf dem Land. Die Lautsprecher hoch oben an den Minaretten tragen den Ruf weit aus den Dörfern hinaus. In der Regel drehe ich mich um und schlafe noch einmal kurz weiter. Spätestens gegen 06:00 bin ich aber eh wach, das weiche Morgenlicht ruft und wenn um viertel nach Sechs die Sonne aufgegangen ist, wird das Zelt eh schnell zum Backofen. Nach einer ersten Runde fotografieren gibt es Frühstück: Müesli mit Bananen und frischen Datteln sowie Kaffee aus der Aeropress.
Die Aeropress ist auch wieder so eine Sache… Wer mich kennt, weiss, dass ich mein Material jeweils akribisch für eine Tour vorbereite. Ich konnte über die Jahre hinweg mit den vielen Touren viel Erfahrung sammeln und weiss einigermassen, was für mich wichtig ist, was sich bewährt und was ich getrost zu Hause lassen kann. In letzter Minute hatte ich die bereitgelegte Titantasse aus Platz- und praktischen Gründen zurückgelegt und den blauen Faltbecher eingepackt. Dieser passt perfekt in dünne Aussentaschen, wo ich schnell dran komme und hat sich schon oft bewährt. Sei es für einen Schluck Wasser aus einem glasklaren See/Bach in Lappland ohne den Rucksack absetzten zu müssen oder aus einem silbernen Wasserspender im Oman. Die Aeropress war das erste aber auch nicht das letzte Mal dabei. Aber, sie braucht einen Becher, auf dem man sie draufstellen stellen und den Stempel mit etwas Kraft nach unten drücken kann. Faltbecher <—> Druck gegen unten?? Dumm gelaufen… Zum Glück konnte ich die Presse grad noch so in den Händen halten, so dass es am Morgen trotzdem frischen Kaffee gab. Wie soll denn ein Tag ohne Kaffee auch gut starten können??!!
Unterwegs, wenn mich Autos auf den Gravelpisten passieren, schlucke ich immer mal wieder Staub. Einige bremsen ab oder weichen zumindest bis an den Rand aus und winken mir zu. Andere, meistens Guides oder Touristen, donnern im vollen Karacho an mir vorbei. Ich drehe mich dann jeweils ab und schütze die Kamera und die Nase vor dem gröbsten Staub. Aber was solls, am Abend wird sich eh eine tolle Mischung aus Staub, Schweiss und Sonnencreme gebildet haben. Auf etwas mehr kommt es da auch nicht an. Ich wasche zwar jeweils mit einem Lappen das Gröbste ab, aber das hilft nur bedingt. Denn wenn ich am nächsten Morgen wieder Sonnencreme einreibe, entstehen dabei trotz allem immer mal wieder so kleine schwarze “Böueli” (Krümel?). Mmmm, nice! Ich bin mich aus dem Norden gewohnt, genügend Wasser zum Waschen zu haben und den Tag auch mit weniger Staub, Sonnencreme und Schweiss zu verbringen. Ich muss meine Komfortgrenze bezüglich Sauberkeit deutlich ausdehnen und kämpfe am Anfang ganz schön damit. Aber man gewöhnt sich an vieles und somit auch an das. Der Quilt (ein Schlafsack ohne Reissverschlussteil mit quasi offenem Rücken; spart Platz und Gewicht) bleibt immerhin sauber, da ich einen dünnen Seidenschlafsack als Inlet nutze. Dieses ist einfach waschbar und reicht bei der Wärme meistens auch schon aus. Nur gegen Morgen ziehe ich den Quilt manchmal leicht über die Füsse/Beine.
Entlang der Strecke stoppe ich immer wieder bei kleinen Läden, “Grocery” oder “Cold Stores” (mit vielen Kühlschränken!), wo ich meistens eine Dose Softdrinks wie “Mountain Dew”, 0.5l Wasser und oft noch eine gesalzene Buttermilch und manchmal Kuchenstücke kaufe. Während ich zuhause den Zucker von Softdrinks vermeide und hier kaum je zuckerfreie Varianten finde, spielt es aber auch keine Rolle. Die Kalorien verbrenne ich unterwegs problemlos und Softdrinks sind meistens der einzige Weg, um an etwas kohlensäurehaltiges zu kommen. Gesalzene Buttermilch ist schlicht superlecker und mega erfrischend und hilft gegen den Salzverlust beim Schwitzen.
Ja, und dann ist es so weit und ich merke erst beim Pedalen, dass heute ein grosser Tag sein könnte! Ich habe die Route so geplant, dass ich als Nächstes entweder in der Wüste in den Wahiba Sands übernachten oder im Wadi Bani Khalid ein Bad nehmen kann. Beides zusammen geht leider nicht, auch wenn es das Tüpfelchen auf dem “i” wäre. Ich entscheide mich für die Wüste und bleibe damit halt noch einen Tag länger ein Dreckspatz. Ich war noch nie in einer Sandwüste und träume schon lange davon! Der erste Blick, als sich die Dünen am Horizont zu erheben beginnen, ist pure Magie und ich grinse wie ein kleiner Junge und pedale aufgeregt weiter. Das Dorf, in dem ich mich noch mit Wasser und Essen versorge, bevor ich in den Sand ziehe, ist touristisch geprägt und die Stimmung ist anders als in anderen Dörfern. Ich werde hier das erste Mal von (vermutlich freischaffenden) Guides angesprochen bzw. bedrängt. Sie wollen mir mit aller Macht eine Tour aufdrängen und nur versichern mir, nur sie wüssten, wo die besten Plätze in der Wüste seien. Sie würden mich rausfahren und am Morgen dann auch wieder abholen. Die Preise sind hoch und die Guides wirken nicht sehr vertrauenswürdig. Ich verzichte dankend und mache mich selbst auf den Weg.
Einmal im Sand angekommen bzw. auf die Sandpiste eingebogen komme ich nur ein paar Hundert Meter weit mit Fahren und steige bald ab, um zu schieben. Für einmal ist es nicht die Neigung, sondern der tiefe Sand. Meine Reifen sind mit 2.2 Zoll (ca. 5.6cm) nicht gerade dünn aber trotz allem zu dünn und geben zu wenig Auftrieb. Schieben ist eine üble Plackerei und ich gehe ähnlich wie bei Gegenwind mein Fluchwörter Repertoire durch, wenn mir das Vorderrad wegdriftet und sich die Schuhe mit feinstem Sand füllen. Aber hei! Ich wollte ja unbedingt selbst raus in den Sand, ohne Hilfe… und bereue es auch nicht! Aber vielleicht gehe ich doch nicht ganz so weit wie geplant. Wüste light, am Rand quasi, das muss reichen für das erste Mal.
Nach etwa drei Kilometern verlasse ich die Sandpiste und verziehe mich hinter die Dünen abseits vom Weg. Ich schlage mein Camp auf und bin bestürzt, wieviel Müll sich am Rande der Wüste angesammelt hat. Überall liegen Petflaschen, Spielzeug, Plastikmüll und sogar eine Spritze sehe ich. Irgendwie gar nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ob es wohl tiefer in der Wüste auch so aussieht? Ich werde es erst beim nächsten Besuch herausfinden, wenn ich mit einem Jeep unterwegs sein werde.
Die Nacht selbst ist ruhig und die Zeit um Sonnenauf- und -untergang trotz dem Unrat magisch. Die endlosen Wiederholungen der Dünenformen und das weiche Licht mit dem langen Schattenwurf könnten kaum schöner sein. Ein Traum geht für mich in Erfüllung und ich fülle die Speicherkarte mit vielen Fotos und merke dabei kaum, wie die Zeit vergeht.
Am nächsten Morgen schiebe ich das Velo aus dem Sand raus und fahre wieder Richtung Berge. Das Wadi Bani al Khalid ruft laut, denn ganz zuhinterst warten natürliche Pools zum Schwimmen und Baden. Vorher stehen allerdings noch ein paar knackig steile Anstiege - etwa 800 Höhenmeter- an. Bis ich dort ankomme, schwitze ich noch einmal übel (soll sich ja rentieren, wenn ich schon mal baden kann!) und esse unterwegs noch etwas zu Mittag. Frühstück und Abendessen gibt es in der Regel beim Zelt und ist selbst gemacht. Das Mittagessen versuche ich, wenn immer möglich unterwegs in einem der zahlreichen Coffeeshops oder Restaurants einzunehmen. Das ist einerseits bequemer aber vor allem gibt mir das die Möglichkeit, die lokale Küche kennen zu lernen. Oft ist das Mittagesmenu Biryani. Das ist ein Reisgericht mit Fleisch und frischem Gemüse. Obwohl es jedes Mal gleich heisst, kommt es immer unterschiedlich daher und schmeckt auch stets anders. Aber es ist jedes Mal lecker und ich freue mich ab der Vielfalt. Und ja, das Abendessen bestand oft aus 2 Packungen Instantnudeln mit einer Büchse Tunfisch und als Dessert dann zwei, drei frische Orangen und Datteln und allenfalls noch ein Stück Kuchen, wenn vom Tag noch etwas übrig war.
Die letzte Nacht vor Sur ist absolut magisch. Nach einer langen Gravelpiste und viel Gegenwind fahre ich von der Hauptstrasse einfach links über das Bord runter auf eine kleine unbefestigte Fahrspur und folge meiner Nase tiefer in die Hügel rein. Die meisten Camp Spots habe ich so gefunden. Manchmal habe ich auf dem Satelitenbild von Google Maps eine grobe Auswahl getroffen, teilweise auch gar nicht und bin dann einfach losgefahren. Bis auf eine Ausnahme am Meer habe ich so immer sensationelle Plätze gefunden oder sie haben mich gefunden? Wer weiss!? Aber zurück zu diesem besonders schönen Platz! Wie üblich bin ich nach dem Zeltaufstellen streunen gegangen. Diese Mal hatte mich ein Hügel nebenan gelockt und so habe ich einen der schönsten Sonnenuntergänge der ganzen Tour erlebt. Im Hintergrund am Horizont sind die Wahiba Sands, unter mir die Steinwüste mit Bäumen und während ein paar wilde Esel und später Kamele dort unten vorbei ziehen, versinkt die Sonne goldgelb am Horizont in einem Meer aus Pastelltönen. Es windet nur noch ganz leicht und ausser dem Zwitschern einiger Vögel ist es still. Ich höre keine von Menschen verursachten Geräusche, nichts! Einmal mehr kommt mir das Zitat von Erling Kagge aus seinem Buch “Stille” in den Sinn: "Die Natur sprach zu mir in dem sie sich als Stille präsentierte. Je stiller ich wurde, desto mehr hörte ich”. Und ich habe viel gehört an diesem Abend und gestaunt ab der Stille und war dankbar über das Privileg, unterwegs und in diesem Augenblick genau dort sein zu dürfen.